Unknown Artist – Untitled
Tramp Records
Tramp hat sich bei ihrer 100. Jubiläums-Ausgabe (!) sehr angestrengt. Die 505 limitierten und handschriftlich durchnummerierten Ausgaben, wurden in alte, individuelle Hüllen gesteckt. Die Hüllen sehen nicht nur vintage aus, sie sind es auch. Keine Nummer gleicht der anderen. Sie haben teilweise abgerissene Aufkleber oder sind mit Hand beschriftet. Meine stammt z.B. von einer Schelllackplatte aus dem Jahr 1939. Das Ganze steckt dann noch in einer Plastikhülle und ist damit in seiner Gesamtheit „Deluxe“. Schade fand ich nur, dass man, um an das Vinyl zu kommen, den Aufkleber auf der die Nummer eingetragen wurde, auftrennen oder abreißen muss. Tramp hat leider keinen removable Aufkleber verwendet.
Das Vinyl wurde im Format 10inch hergestellt und imitiert damit eine Acetate, was Absicht ist, da die Original-Aufnahme laut Kirmayer von einer Acetate stammen soll. Acetate, auch bekannt unter dem Namen Dubplate, habe ich in den 90igern in Clubs kennengelernt, als britische D&B-DJs ihre neuen, noch nicht veröffentlichten Produktionen zum erstem Mal vor Publikum testeten. Duplates können nicht oft gespielt werden, sie nutzen schnell ab (softwax) und wenn eine Duplate dann später nicht auf Vinyl erschien, hieß das “die gibt es nur auf dubplate“. Eine solche dubplate wurde schnell zum begehrten Objekt, da es nur ein Exemplar, bzw. nur sehr wenige davon gibt.
Auf diese Exklusivität hebt Tramp mit dieser Veröffentlichung ab und setzt noch einen drauf. Unknown Artist – Titel und Name der Stücke unbekannt. Man stellt sich einen Kellerfund vor, zu dem es keine Angaben zu den Musikern, Produzenten, usw. gibt. Leider sind Kirmayers Angaben sehr spärlich. Er heizt nur den Hype an, O-Ton: „absolute unique treasure, originally release as an Acetate and certainly one of the rarest records of the genre Spiritual-Jazz-Funk.“ Über alles andere lässt er uns im Dunkeln. Kein Wort dazu, wie er auf die Aufnahme gestoßen ist oder zu dem Umständen seines „Funds“. Dabei könnte ich mir durchaus vorstellen, dass das Werk in einem gar nicht so weit entfernten Keller aufgetaucht ist und gar nicht so alt ist.
Wie auch immer, wir haben teilweise unfertige Stücke vor uns. Nicht fertig produziert ist #1, das abrupt endet, in #6 sind die Vocalparts hörbar zusammengesetzt und bei etlichen Stücken hört man, dass die Aufnahme noch nicht gemastert wurde. Die Musik selbst ist trotzdem durchaus interessant. #2, ein Stück im 7/8-Takt (?, jedenfalls nix grades) mit Vibraphon und Fender Rhodes ist echt top. Allein wegen dieser Nummer lohnte sich für mich der Kauf. Alles in Allem finde ich den Rest jedoch etwas aufgesetzt und klischeehaft. Die Musiker haben sich viel Mühe gegeben es alt klingen zu lassen. So könnte Spiritual-Jazz in den 70igern geklungen haben. Aus dieser Zeit stammen die Aufnahmen aber wohl nicht. Die frühesten Acetate gab es meines Wissens erst in den 80igern.
Auf youtube findet man zahlreiche Bands, die in der Lage sind einen Sound zu spielen, der so authentisch klingt, als entstamme er früheren Epochen. Trotz alter Spielweise, Instrumente und Verstärker, kann man im Gesamtbild aber dann doch hören, dass es nicht alt ist, ich nehme an durch die heutige Aufnahmetechnik. Haben wir so etwas auch hier?
Irgendwie hat Tramp sich sehr viel Mühe gegeben das Gesamtwerk vintage aussehen zu lassen. Auch die Musik klingt vintage, sie ist es aber meiner Einschätzung nach nicht. Die spannende Frage bleibt: Wer steckt hinter der Aufnahme? Mir fielen da im Umfeld von Tobias Kirmayer ein paar Musiker ein...
Ich hoffe, es gibt Leute, die etwas über diese Aufnahme wissen und die Info dazu teilen. Oder gibt es jemand, die/die sich jemand traut Vermutungen anzustellen. Ich wäre sehr gespannt drauf.
Text: Thomas Bertone
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