CLAAS BRIELER / JAZZANOVA
Das Berliner Dj und Produzenten-Kollektiv Jazzanova veröffentlichte im November 2005 ihre zweite Remix-Collection auf ihrem eigenen Label Sonar Kollektiv. Im Januar 2006 interviewten wir Jürgen von Knoblauch und Claas Bieler, zwei der drei DJs von Jazzanova über die Historie des Kollektivs, die Labelphilosophie und musikalische, spannende Strömungen.
1995 waren J-Nova ein DJ Team (mit der legendären Clubnight „Delicsious Donuts“ in Berlin) und ab 1996 wurde daraus ein Kollektiv mit Produzenten. Wenn ihr zurück schaut, was hat sich für Euch am Meisten verändert?
Wir haben uns weiterentwickelt. Musikalisch (z.B. in der Harmonie-Lehre) wie technisch. Früher haben wir mit sehr einfachen produziert. Heute haben wir uns mehr und größere Möglichkeiten. Wir haben in Berlin ein eigenes Studio. Wir können heute natürlich auch alles Digital machen oder auch mal Live-Musik einspielen – was früher nur begrenzt ging. Wir haben über die Jahre sehr viel gelernt. Das wird man auf unserem nächsten Album sehr deutlich hören können.
Ihr seid auch nicht mehr in Kooperation mit Compost ( JCR ) und hab Eurer eigenes Label (Sonar Kollektiv) gegründet. Warum trennte man sich?
J-Nova: SK gab es schon vor JCR. Wir hatten es immer schon. Wir wussten damals nicht in welche Richtung es gehen sollte. Dass wir uns aber irgendwann ganz allein unser Ding durchziehen mussten war klar – die Frage war wie wir uns künstlerisch entwickeln. Nach der VÖ von unserm Album und der „In Between Remixed“ wollte wir in Berlin die Energie mehr bündeln und unsere Ideen verwirklichen. Die Trennung von Compost war aber kein Crash mit Michi (Michael Reinboth / Labelchef Compost). Wir sind immer noch gute Freunde.
Ihr wart maßgeblich an dem ganzen Nu-Jazz-Downbeat-Movement Mitte der 90er beteiligt. Sind die Grossen von damals heute noch so relevant für die ganze Szene? ( Ich denke da an Nicola Conte, Gerado Frisina, Kyoto Jazz Massive, Kruder & Dorfmeister oder UFO uvm.) ?
J-Nova: Wie überall entwickeln sich die Künstler in verschiedene Richtungen. UFO gibt es leider nicht mehr. Dego & Marc Mac (4 Hero) sind ja noch sehr in London aktiv. Nicola Conte ist
ein richtiger Jazzman – hat ja kürzlich ein tolles Album auf dem traditionsreichen Label Blue Note Album veröffentlicht – was sehr beachtlich ist. So geht jeder seinen Weg – mal mehr mal weniger
relevant. Ich muss aber sagen, dass wir uns nie so wohl gefühlt haben, in der NuJazz/Lounge Sound-Ecke, in die wir gestellt wurden. Es war auch unsere Art von Freestyle – da geht es einfach nur
um gute Musik irgendwelche Schubladen.
Ein Kollege vom Shelter Club (Blaze) sagte mir kürzlich, dass uns eigentlich jeder kennt und dass starke Marke haben, aber die Leute wissen uns nicht wirklich einzuordnen. Wir sind ja eigentlich
leftfield, eklektisch und vor allem immer soulful. Das ist eigentlich schon immer unser Kontext gewesen. Man kann das auch auf unserer Compilation „Secret Love Vo.1 & 2“ sehr schön hören.
Folk, Jazz, Soul. Da haben wir unsere Wurzeln und machen uns auch solche Musik zu nutze in unseren Produktionen im Sampling. Der HipHop Background schließt sich hier auch ein. So viele Musik
macht einen soulfulen Hintergrund: Ob Rock, House, Latin, Jazz, Broken Beat….da ist unser Universum.
Gerade habt ihr ein neues Sublabel (INNERVISIONS) bei Sonar Kollektiv gegründet. Dixon, Tokyo Black Star & AME sind die ersten Releases. War es Eure Absicht den House-Acts einen eigenen Space zu geben um Sonar Kollektiv von dem Klischee zu befreien es wäre nur ein Label für (jazzy) House?
J-Nova: Wahrscheinlich liegt der Grund für das Sublabel in unserer Vielfalt und an den starken Charakteren von Steffen (Dixon), Kristian und Frank (AME). Sie müssen ihren eigenen Space für ihre Musik haben. Diesen sehr kräftigen Vibe – der sich da entwickelt hat – kann sich so besser kanalisieren. Wir sind ja in unseren kleinen independent Struktur sehr flexible und frei.
Sonar Kollektiv ist in den letzten zwei Jahren verschiedene Weg gegangen. Es gab sehr verschiedene Veröffentlichungen die auch ganz unterschiedlich vom Publikum aufgenommen wurde. Mit dem franz. Projekt „Double You“ gab’s ne Fusion Pop und Electro mit Songwritter-Qualitäten. Mit Umod (aka DOMU) ein Broken Beats und HipHop Album, mit Arken, Carl Borg, Forss und Dimlite gabs sehr abstrakte Ansätze von Samplelastige Elektronika, mit AME und Trickski House Music die auch gerne mal nach Detroit klingen durfte, mit Micatone den Jazzakt…. Ist das der Freestyle den Ihr auch bei Euren DJ-Sets zelebriert?
J-Nova: Wir sind natürlich offen für alles. In unseren Acts drückt sich auch unser Geschmack aus. Und natürlich der Einfluss von Freunden wie DJ Dixon zum Beispiel. Im Vordergrund steht bei allen Acts der Center Point: Soulful muss es sein und natürlich Qualität haben.
Wer in den letzten Jahren eins Eurer unzähligen Dj-Sets hören könnte – stellte fest, dass J-Nova eindeutig den Trend der Zeit aufgenommen haben und immer mehr deep House und Detroit
Techno auflegen. Sind die Zeiten des grenzenlosen Freestyles vorbei? Oder ist es einfach der Trend der Zeit? Reine Rare Groove und Jazz-Sets soll es ja nur noch ganz selten geben…
J-Nova: Stimmt schon ein wenig – da gibt es aber zur Zeit auch sehr viel geiles Material. Mit Osunlade, Charles Webster oder Atjazz ist zur Zeit ja auch richtig grosses Zeug am Start – was
vielleicht vor einiger Zeit nicht so war. Broken Beat ist jetzt nicht mehr so heftig – so hat jeder Stil so seine Zeit – es wechselt sehr. Der Kristian von AME beeinflusst und inspiriert mich
auch sehr oft. Wir legen aber immer noch gerne HipHop, Downbeats und Broken Beats und Rare Grooves auf. Ich war gerade erst in England und hab die neue London Elektricity gehört – von Pete Tong,
einem House-Head gespielt. Inspiration gibt es andauernd.
Zu eurem neuen Release: Jazzanova:: Remixes 2002-2005::. Was kann man außer den bereits veröffentlichten Remixes ( für MAW, Sean Escoffery, Eddie Gale, Calexico & Nuspirit Helsinki) erwarten?
J-Nova: Neu ist der Remix für Heavy („Wonderlove“). Da haben wir auch alles live eingespielt. Und vor allem die zwei Remixe für Fat Freddy’s Drop „Flashback“ ( einmal folkig, einmal clubbiger) sind her raus zu heben. Der Remix für Status IV ist natürlich auch exklusiv für diese Compilation. Der sollte eigentlich erst auf die Jubliläums-Cd von Kyoto Jazz Massive ( „For KJM“). Waren aber dann unsicher weil das Sample nicht geklärt war.
Geht es Euch öfters so, dass ihr ein interessantes Samples findet, aber keine Freigabe dafür bekommt?
J-Nova: Diesmal war es schwierig. Wir haben dann letztendlich den Kontakt zu Status IV direkt gefunden. Normalerweise bekommen wir ja einen Auftrag um einen Remix anzufertigen. Das Ergebnis
ist bei dieser Nummer großartig und kommt beim auflegen sehr gut an.
In England seid ihr in Kooperation mit Ali Tillets’ WARM Events. Kannst du uns näheres darüber erzählen bzw. empfehlen?
J-Nova: Seit zwei Jahren organisieren sie für uns dort Clubnights – das ist für Sonar Kollektiv eine ganz wichtige Promotion. Wird aber 2006 nur noch vierteljährig sein. sein. Die Jungs von
WARM machen die Bookings für Jazzanova, Dixon und Ame in UK. Es ist uns immer wichtig gewesen ein Netzwerk aufzubauen. Für UK ist das Warm, die übrigens
auch eng mit Charles Webster und Mad Mats (Schwedisches Freestyle-Label: Raw Fusion) zusammen arbeiten.
Macht es Euch stolz wenn euer SK-Act AME inzwischen mit House-Heros wie Ferrer & Sydenham, Charles Webster oder Carl Craig in einem Atemzug genannt werden?
J-Nova: Ja klar. Wir finden das Klasse. Ihre Produktionen sind auch einmalig und richtig fett. Die Shelter-Jungs und überall, vor allem in England stehen echt Kopf und fragen Mich andauernd „Who are these guys“? Das freut uns bei J-Nova sehr. Da wird auch noch einiges kommen. Die AME-Jungs machen gerade auch einige neue Remixe.
Mit „Boom Clicky Boom Clack“ seid ihr auf Gilles Peterson’s „Worldwide Exclusives“ mit einer astreinen Broken Beat Hymne vertreten. Immer wieder wird verkündet, dass Broken Beats tot seien. Immer hin remixen BUGZ IN THE ATTIC majoracts wie Macy Gray!? Wie seht ihr das?
J-Nova: Ich würde nicht sagen, dass dieses kleine Genre tot ist. Es gibt gerade z.B. eine klasse Nummer von Recloose und Marc De Clive-Lowe mit Lady Alma – die wirklich großartig ist. Leider gibt es beim Broken Beat zu wenig Leute die das auch kaufen. Hier fehlt leider die Basis. Es gibt es aber immer noch rockende Nummern. Und es wird leider auch von vielen Djs nicht gespielt. So bekommt diese Musik keinen Space ausserhalb in London.
Was kann man für 2006 auf Sonar Kollektiv erwarten? Man munkelt einiges von einem neuen Jazzanova Album und von dem ewig angekündigten Wahoo (Dixon&Levin) Album? Auch Eva Be soll was neues auf SK rausbringen?
J-Nova: Wahoo wird kommen – mit wahnsinnigen Nummern. Clara Hill macht ihr neues Album. Exklusive Nummern wird es auf einer Compilation geben, die sich auf unsere Radioshow bezieht. Wir werden auch eine Compilation zur Fussball-WM 2006 machen – da ja das Endspiel auch hier in Berlin ist. Wird wahrscheinlich unsere lange angekündigte Brazil-Compilation werden. Ansonsten werden wir uns intensiver ums Label und unsere Künstler kümmern.
Rainer Trüby sagte mal in einem unserer Interviews, dass es sein grosser Traum wäre Theo Parrish aus Detroit oder die Jungs von Masters at Work aus NYC nach Freiburg zu holen ( was leider kaum finanzierbar ist). Was wäre der Jazzanova Wunschgast bei Kaleidoskop? Immerhin haben fast alle „Großen“ schon bei Euch aufgelegt.
J-Nova: Wir hatten wirklich schon viele sehr gute Djs da. Rainer Trüby und DJ Dixon haben wir immer gern da gehabt als Gäste. Wir gehen mit unserer Clubnight (Kaleidoskop) in Zukunft mehr in Richtung Live-Musik. Wir werden vermehrt Jazzbands nach Berlin holen. Auflegen werden wir jetzt jeden Donnerstag in Daniel Best’s Club „Bohannon“ hier in Berlin.
Was hört Jürgen van Knoblauch privat am Liebsten, wenn er von seinen DJ Reisen zu Hause ist?
J-Nova: Die BBC-Sessions-CD von Gilles Peterson finde ich Weltklasse. Da waren ja alle großen Künstler im Studio bei ihm. Ob Pharell, The Roots, Matthew Herbert oder Alice Russell. Diese Sessions gab es ja schon von den Beatles oder den Stones. Auch die BBC DJ-Ikone John Peel (R.I.P) hat das immer zelebriert. Gilles Peterson führt das halt in seinem Kontext weiter mit Acts vom Jazz, Soul, HipHop usw. Ansonsten läuft die „Secret Love Vol.2“ in meinem Auto hoch und runter.
Was ist eure Vision ?
J-Nova: Also ich denke der Antrieb das zu tun, was wir mit Jazzanova tun ist unsere Vision. Die Schnittstelle zwischen House, Techno und Jazz - immer soulful. Das bewegt uns.
Interview: Christian Kempf