LEFTIES SOUL CONNECTION (Amsterdam, 2008)
Oft sind es die kleinen Dinge, die große Auswirkungen haben. Im Fall der Renaissance des authentischen 60s-Funks, schlug die holländische Kapelle namens Lefties Soul Connection mit ein paar 7inches seit 2002 wie ein Bombe auf die Tanzflächen weltweiter Funk-Euphorie.
Mit ihrem simplen, oft minimalistisch und explosiv gespielten Grooves sehen sie sich jedoch nur bedingt als Weiterführung der legendären Funkmeister The Meters – stellen zum einen ganz bewusst die Ästhetik der damaligen Kult-Entwürfe in die Mitte ihres Schaffens, zum Anderen leugnen sie nicht ihre Verwurzlung zu klassischen HipHop, als der noch auf den Breaks basierte und eine frische, funky Prise intus hatte.
Nicht jede, aktuell weltweit aus dem Bode sprießenden Funk-Combo, gelingt dieser Switch, junges Publikum für die alte Musik zu begeistern und die alten Nerds davon zu überzeugen, dass es auch knackigen und dynamischen Funk nach 1967 gibt. So manch ein radikalster Purist wurde durch die Holländer schon bekehrt. Auf dem Kölner Melting Pot Music - Imprint von Oliver von Felbert haben sie eine Plattform gefunden, die ihnen garantiert, dass ihre Musik so veröffentlicht wird, wie sie sie auch eingespielt haben. Roh, traditionell aber auch wild und verrückt mit einem Blick auf neuen, spannenden Interpretationsspielraum.
Ihr Cover von „Organ Donor“, jenes kultigen DJ Shadow - Meisterstückes, welches eines der markantesten Samples (Giorgio Moroder’s „Tears“) verarbeitet hatte, ging um die Welt. Es war definitiv Zeit genauer hinzuschauen, wer die Herren aus Amsterdam eigentlich sind. Bandleader Alviz beantwortete unsere Fragen.
Könnt ihr Euch erklären, woher das aktuell ansteigende Interesse an authentischer Funk & Soul Musik kommt?
LSC: Einige Leute wollen scheinbar das schmierige und belanglose Popzeug nicht mehr und schauen deshalb mehr zurück. Viel HipHop-Fans diggen auch das alte Zeug (was sie von Samples kennen). Amy & Duffy verzaubern die Leute mit der Musik im Radio, die sie inspiriert hatte und wecken wohl das Interesse. Man kann Ähnliches meiner Meinung nach auch im Rockbereich beobachten. Dort geht es wieder zurück zu roheren und weniger überproduziertem Sound zurück. Auch im aktuell R’n’B-Zirkus gibt es schöne Beispiele dafür, dass sich Produzenten vor den alten, rohen Funk-Produktionen verneigen und inspirieren lassen. Der Beyonce – Song ‘Suga Mama’ ist fast komplett von einer alten Funk-45 („Searchin’ for Soul“ von Jake Wade & The Soul Searchers) übernommen.
Ja, oder die als man für „Crazy in love“ die Chi-Lites mit „Are you my woman“ als Inspiration genommen hat.
LSC: Man könnte die Liste inzwischen beliebig weiterführen. Da ist ein kleiner, aber feiner Trend zu verspüren, der auch den Funkbands zu Gute kommt.
Wie fühlt man sich als ein sehr wichtiger und aktiver Teil einer neuen Funk-Welle?
LSC: Hier in den Niederlanden gibt es unglücklicherweise nur ein paar Leute die wirklich involviert sind. In anderen Ländern geht da schon etwas mehr – es gibt aber nicht immer mehr Bands. Ich wünsche mir allgemein, dass es in Zukunft überall auf der Welt mehr Leute gibt die rohen Funk & Soul spielen. Aber natürlich ist es sehr schön, dass wir die Aufmerksamkeit vieler Fans solcher Grooves auf der ganzen Welt wecken.
Wie wichtig empfindet ihr die Tatsache, dass Künstlerinnen wie Amy Winehouse und Sharon Jones als eine Art Vorzeige-Acts der ganzen Szene bzw. dem Genre mehr Aufmerksamkeit ermöglicht haben?
LSC: Natürlich hat das sehr geholfen. Ich denke, auch wenn The Dap-Kings mit Amy gespielt haben, dass sie und Mark Ronson immer noch etwas mainstreamiger sind als Sharon Jones. Für mich ist Sharon immer noch etwas authentischer und auch etwas mehr underground – auch wenn sie seit Kurzem etwas mehr in der internationalen (Mainstream)-Presse Beachtung findet. Sie und ihre Kapelle hat es definitiv verdient. Ich denke dass durch sie nach und nach viele neue Hörer für Soul und Funk begeistert werden können. Sie sind wahrhaftige Botschafter dieser Bewegung.
Das war ja nicht immer so. In den 80er Jahren war der rohe Funk tot und von zeitgenössischen Strömungen wie New Wave, Pop, Punk und HipHop verdrängt. Weltweit trugen jedoch einige Aktivisten und Liebhaber die Fackel der originalen Rare Grooves weiter. Die neue Begeisterung für die authentische 60s Mucke erfährt jetzt wieder ein Comeback – oder ist nur irgendein weiterer Retro-Trend?
LSC: Ich denke die Zeit wird es uns zeigen. Ich denke aber, dass dieser Hype auch nicht mehr größer wird. Der Otto-Normalverbraucher neigt ja eher dazu, die leicht konsumierbare „easy“ Musik auf CD zu kaufen - und nicht unsere Schätze auf einer Single 45.
Du meinst die sterilen Popkonserven, von denen sich viele sehr ähnlich anhören....
LSC: Genau. Das Rouge, was wir mit den Lefties an der Musik von früher lieben, ist ja nicht allein, dass das Analoge einen ganz eigenen Sound hat. Oft war es einfach so, das die Künstler unfreiwillig so klangen, weil sie schlicht zu wenig Geld für eine saubere und hochwertigere Produktion hatten. Ich selbst habe von Carol Jones die „Don’t destroy me“ 45 in zweifacher Ausführung, jedoch in völlig unterschiedlicher Klangqualität. Im ersten Mix des wahren Killer-Tracks sind die drum heftig und roh. Im zweiten Mix wollte man wohl mehr „mainstream“ sein und baute Streicher ein. Heute suchen die meisten Sammler explizit nach dem ersten Mix.
Du kennst dich gut aus mit den alten Scheiben. Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten, wenn du einen Wunsch frei hättest?
LSC: Harte Frage. Es wäre sehr cool mit Betty Harris einen Killer-Funk-Track zu machen. So würde schon ein Traum für uns in Erfüllung gehen. Es gibt noch einige Helden von damals, die man aktivieren könnte.
Zur Zeit gibt es ein Menge heisser Bands die den Funk sehr roh und authentisch spielen. Ich erinnere mich sehr gut an Zeiten, nicht lange her, das gab es weltweit nur eine Hand voll Bands die solchen Sound spielten und veröffentlichten. Was denkst du darüber? The New Mastersounds und The Dap-Kings haben ihre Ideologie auf andere übertragen können…
LSC: Ich finde das großartig. Umso mehr, umso besser. Ich denke dass man hier die Sugarman Three, Mighty Imperials, Poets of Rhythm und die Soul Investigators nicht vergessen darf zu nennen. Sie sind alle Pioniere und sind immer noch sehr wichtig.
The Meters scheinen eine Eurer größten Inspirationen zu sein. War es schon immer Euer Primärziel den originalen Groove zurück zu bringen? Wie würdest du Euer Sound beschreiben bzw. selbst einordnen?
LSC: The Meters war definitiv ein sehr großer Einfluss. Unseren eigenen Sound wollten wir jedoch schon finden. Anfangs spielten wir schon etwas orientierter an den alten Originals, dann bauten wir darauf auf und fanden unseren eigenen Stiel. Wir sind also in dem Sinne keine richtige Retro-Kombo die in alten Anzügen auf der Bühne steht – was ja viele machen um optisch an die 60s zu kuppeln. Wir hören ja nicht nur alten Soul und Funk, sondern auch liebend gerne HipHop und Breakbeats. Die Einflüsse gehen über Small Faces, Spencer Davis Group bis zu allem möglichen 60s Garage Band. Das fliesst alles zusammen zum Lefties-Sound. Ein Journalist betitelte es mal Garage Funk. Ich fand die Beschreibung ganz gut.
Diesen Mix zwischen harten Funk, HipHop und Breakbeats verkörpert Eure Coverversion bzw. Interpretation von „Organ Donor“. Wie entstand dieses bombastische Cover?
LSC: Ich möchte den DJ Shadow-Track schon immer und schlug ihn der Band vor. Wir experimentierten ein bisschen damit herum. So machten wir eben keine exakte Kopie davon, sondern ein Cover mit unserem Soundstempel. Wir haben uns auf den Schwerpunkt Groove bei diesem Sound eingeschossen. Wie eigentlich immer bei unseren Stücken. Die Resonanz auf den Track war natürlich sehr, sehr erfreulich für uns. Vielleicht stimmt ja die Theorie doch ein bisschen, dass man mit Covern mehr Ohren erreichen kann.
Diese Mixtur aus Rock, Funk, Jazz und Einigem, mit den Komponenten Hammond Orgel, Bass und Drums, gibt Eurer Konzept „Weniger ist oft mehr“ aus. Ist der wahrhaftige Funk im Prinzip die Botschaft von Minimalismus? „Rhythmus und nichts als der Rhythmus“ sollte die Groove-Gemeinde als beten!?
LSC: Unser Motto ist das definitiv. Ich würde es jedoch nicht als Minimalismus darstellen. Wir halten es zwar oft simpel, jedoch ist der Sound sehr voluminös und reichhaltig. Wir sagen immer, wenn dein Kopf wippt, deine Hüfte wackelt und du nur noch die Drums und den Bass fühlst, dann ist es guter Funk. Die Gitarre und die Orgel sind nur die Würze.
Die amerikanische Kapelle BREAKESTRA zeigen offen ihre Liebe zu HipHop. Du hast es schon angesprochen, dass es bei Euch soundtechnisch wie musiksozialisiert Verbindungen zum HipHop gibt.
LSC: Wir nennen unsere Musik „Ready to Sample“-Musik. Wir mögen die Seite der Beats von HipHop sehr. Wir fixieren uns ja genauso auf den Beat. Da steckt schon eine Verbundenheit dahinter, jedoch weit entfernt was HipHop heute ist.
Es wird einiges von Euch in den nächsten Monaten zu hören sein. Könntest ihr ein bisschen etwas darüber schon verraten? Eine Bootleg mit den Jay-Z-Vocals soll bald die Runde machen!
LSC: Ja, aber das ist nicht unser Projekt. Wir hörten, dass ein Amsterdamer Produzent namens Umatic unsere Instrumentals mit den Vocals von „American Gangster“ gekreuzt hat. Mashup-Style, wie er ja zur Zeit von vielen DJs gespielt wird. In der Tat wird es 2009 eine EP mit sechs Stücken geben. Wir fanden die Idee gut und es hört sich nicht schlecht an. Wir haben keine Probleme damit, dass er unsere Musik als Grundlage benutzt hat. Was Jay dazu sagen würde?! Unser Single „Code 99“ (auf MPM Records) ist auch draußen.
Kannst du etwas über Eure „Struttin’“-Parties erzählen?
LSC: Ich habe 2001 angefangen mit befreundeten DJs wie Taco Fett und Bart Fader die Veranstaltungsreihe bzw. Clubnight in Amerstam zu starten. Wir spielen ausschließlich FUNK & SOUL, hauptsächlich von Vinyl-Singles. Wir laden regelmäßig weltbekannte Deep-Funk-DJs wie Keb Darge, Ian Wright oder Egon ein. Dort entstand auch die Idee solche Groove live zu spielen und wir fanden uns zusammen. Unser Labelchef Olski trafen wir auch bei der Nacht und so entstand der Kontakt zum Kölner MPM Label. Unsere Clubnight läuft nach wie vor jeden zweiten Samstag im Bitterzoet in Amsterdam. Checkt dazu www.struttin.nl
Wenn wir schon zurück zu Euren Anfängen gehen. Was änderte sich seit Eurer ersten Single „Doin’ the thing“?
LSC: Musikalisch haben wir uns weiterentwickelt und unser Branding ausgebaut. Wir haben mit „Organ Donor“ einen mehr auf HipHop-Prinzipien basierenden Track gemacht. Daneben haben wir einige New Orleans Funk-Bretter gemacht, z.B. „The Chank“. Mit „Buckaloose“ spielen wir sogar etwas mehr Richtung Afrobeat. Wir haben zwei Alben gemacht, tourten viel und spielten in den verschiedensten Ländern in Europa. Da hat sich also einiges getan und wir freuen uns natürlich darüber.
Da ihr viel getourt seid, kannst du mir bestimmt sagen, wo in Europa die Funkfans sind, die am heftigsten rocken!
LSC: Ich habe gehört, die Fanatiker sollen in Japan sitzen – doch bis dort haben wir es bisher nicht geschafft. Aber im Ernst: Es gibt so viele tolle Plätze und begeistertes Publikum. Zum Beispiel spielten wir im Herbst 2008 im Manderin Kasino in Hamburg auf dem Reeperbahn- Festival. Die Leute waren wirklich der Wahnsinn. Auch in Köln, Berlin oder Wiesbaden war es super zu spielen. Deutschland mag den Funk. (lacht)
Das Großgenre Rare Groove ist die letzte Bastion für das Überleben des Vinyls. Speziell die 7inch-Kultur wird hier zelebriert. Würdest du zustimmen?
LSC: Lass das die Reggae-Freaks nicht hören! (lacht). Die würden dir nicht zustimmen. So dramatisch empfinde ich die Situation nicht. Man vergisst bei dem Thema oft die Billionen an Vinyls die immer noch im Umlauf sind und auf Flohmärkten und in Secondhand-Läden zu finden sind. Das kleine Vinyl-Revival im Rockbereich gibt es ja auch noch. Ich selbst sammle Vinyl, vor allem 45s aus den Bereichen Jazz und (Northern)-Soul. Ich leg auch mit Vinyl und nur Vinyl auf. Mein Kumpel Taco Fett hat auch einen sehr gut selektierten Plattenladen in Amsterdam namens Maxwell. Das sollte hier noch erwähnt werden, für alle die Jazz, Funk oder Soul suchen.
James Brown, Curtis Mayfield, Issac Hayes – viele sehr einflussreiche Helden sind gegangen. Das Erbe ihrer Musik lebt durch moderne Variationen weiter. Ist das ein Teil Eures Antriebes diese Musik zu machen? Treibt Euch dieser Gedanken an?
LSC: Ich befürchte, wir sehen es nicht als „Weitertragen“ oder „am Leben halten“ eines Erbes. Natürlich waren diese großartige Künstler Götter und Inspiration, aber wir wollen unser eigenes Ding machen. Sie sind ein Teil von uns durch ihr Werk, aber wir sind eben die Lefties.
Die neue Generation von Funkbands wie The Sweet Vandals, The Haggis Horns, Diplomats of Solid Sound, Baby Charles oder The Bamboos überzeugen die letzten Monate mit sehr guten Veröffentlichungen. Ist die Szene eigentlich wirklich untereinander vernetzt?
LSC: Nicht wirklich. Jeder macht sein Ding und man schätzt sich. All die neuen und auch alten Bands sind auf der ganzen Welt verteilt.
DJs wie Andy Smith, Keb Darge, Florian Keller, Soul Rabbi, Mad Mats, Will Holland oder Gilles Peterson unterstützen die neuen Funkentwürfe. Würdest du den Northern Soul-Puristen auch empfehlen ihr Einstellung noch mal zu überdenken und den neuen Funkbands auch mal eine Chance zugeben?
LSC: Das muss jeder für sich entscheiden. Ich denke jeder sollte das spielen, was er gerne spielen mag bzw. gut findet.
Zum Schluss: Stell mal bitte eine These auf, warum Funk die beste Musik ist?
LSC: Ich weiss nicht….. Es kommt einfach darauf an, was diese Musik für dich bedeutet. Wenn ein Song diesen gewissen „Soul“ hat und er dich berührt, dann ist das einfach gut so. Und wen du auf Funk stehst, eine Beat heftig reinknallt und du dazu knicken oder tanzen kannst, dann ist alles gut.
Dank dir und viel Erfolg weiterhin!
Bitte und keep the funk alive!
Text & Interview: Peter Parker
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