Interview: Rainer Trüby
(Root Down / Compost Records)
Der Wahl-Freiburger Rainer Trüby hat seine Leidenschaft "Plattenlegen und sammeln" zu seinem Beruf gemacht. Er ist nach über 25 Jahren an den Turntables fester Baustein der internationalen DJ-Szene. Wir hatten 2007 ein sympathisches Interview mit dem ,,globle dj player" über Reisen, Auflegen, Trüby Trio und den oft beschworenen ,,State of the art".
Wo liegt der Unterschied zu deiner Party-Reihe “Root Down” und vergleichbaren Events?
Root Down ist mir sehr wichtig. Ich liebe es das “Warm up” für meine sehr unterschiedlichen Gäste zu spielen. Normal beginne ich ja immer später. Ich habe hier alle Freiheiten um mich selbst zu verwirklichen. Die Atmosphäre am Waldsee ist herrlich und wirkt auf die DJs und Gäste. Ich habe hier monatlich Gast-Djs aus der ganzen Welt.
2. Mit der Compilation-Reihe “Glücklich” (auf Compost Records) kann man deine Liebe zu brasilianischer Musik hören. Hast du schon immer Platten aus diesem Genre gesammelt?
Gilles Peterson and Partrick Forge hatten großen Einfluss auf mich. Auch der bekannte britische Plattenhändler Joe Davis ( Farout Records). Sie inspirierten mich Bossa Nova and Brazil von den 60s and 70s zu entdecken und zu sammeln.
3. Du warst in der Vergangenheit als “Rare Groove Dj” sehr beliebt und respektiert. Wie sieht die aktuelle Mischung eines Rainer Trüby Mix aus?
Eine beseelte Mixture aus Broken Beats, Jazz, Disco, Detroit Techno, Deep House und Downbeats.
4. Was denkst du über den aktuellen Deephouse Boom?
Classic House Music hat schon immer eine Rolle gespielt und ist der Pulsschlag des Clubgeschehens! Generell finde ich: Deep House ist aktuell mit Ame, Frank Rogers, Dixon, Webster…grossartig. Da gibt es aktuell unfassbar gute Releases.
5. Welche 5 Platten beeinflussten dich am meisten?
Blackbyrds – Theme;
Lonnie Liston Smith – Expansions;
Roy Ayers – Love will bring us back together
Rone Size – Brown Paper Pack,
Galaxy to Galaxy – High Tech Jazz
6. Deine Kollegen vom Trueby Trio kommen eigentlich vom Drum’n'Bass. Wieviel Trüby ist schliesslich im Trio enthalten?
Fauna Flash – waren D’n'B DJs and Producer! IEnde 1997 trafen wir uns und beeinflussten uns gegenseitig! Brazil, Latin, Bossa-Touch kam von meiner Seite. Die Produzenten-Skills vorallem von den beiden anderen.
7. Welche Root Down-Veranstaltung ist dir am Meisten in Erinnerung?
Sehr schwierig zu beantworten. Er gab so viele schöne Nächte bei Root Down.
8. Mad Mats, Jazzanova, Kruder, Benji B., Seiji, Henrik Schwarz, Alex Attias, Joe90, Kyoto jazz massive. Sie alle waren Gäste bei Root down. Gibt es trotzdem noch jemanden den Du gerne als Gast hättest?
Vielleicht einen US-DJ wie Kenny Dope oder Louis Vega von MAW. Ich hatte auch schon die Gelegenheit mit dem Detroiter Theo Parrish aufzulegen. Ich war wirklich von der Mischung aus Techno, Disco und House fasziniert. Ihn würde ich sofort einladen.
9. Was würdest du heute machen wenn du kein DJ und Musiker wärst?
(lacht) Wahrscheinlich ware ich Winzer in Baden, Portugal oder Spanien.
10. Du bist weltweit viel gebucht und unterwegs. Bist du zufrieden mit dem augenblicklichen Status oder ist das ganze Ding garnicht mehr zu stoppen?
Super zufrieden!!!Es ist einfach immer noch genial sein Hobby zum Beruf gemacht zu haben.
11. Du warst auch schon oft in Japan. Stimmen die Gerüchte, dass die Japaner sehr musikverrückt sind und sich in Sachen Jazz bestens auskennen?
Rare Grooves, jazz, house …egal was. Die Leute sind fanatisch. Der Informationsfluss in Japan ist der Massen groß. Sie machen einen richtigen Starkult um den DJ. Sie stehen um dich rum und fotografieren dich ständing. Aber natürlich tanzen sie auch. Es ist immer wieder eine tolle Erfahrung dort aufzulegen.
12. Man sagt im “Robert Johnson” ( Club / Frankfurt / Germany) steht das beste Soundsystem Deutschlands? Wie war es dort aufzulegen?
Ich hatte die Gelegenheit dort aufzulegen und es war großartig. Der Sound ist wirklich sehr stark. Speziell für die minimalistischen Djs ist es ein wirklicher Genuß. Dixon und Ame schwärmten ja von Anfang an davon. Es ist definitiv so. Ata und seine Leute haben geniale Ansätze umgesetzt.
13. Was folgt auf Jazzanova, Trueby, Thoenessen, Keller, Rütten etc.? Was denkst du wird die nächste Generation an Freistil-Djs die gebührend ihnen folgen können ?
Meiner Meinung nach gibt es viele gute Nachwuchs-DJs. Aber viele haben keinen eigenen Stil. Ich vermisse den Antrieb Neues zu versuchen und das Risiko dazu. Neulich in Braunschweig und bei einem Gig in Palermo / Sizilien haben zwei junge DJs das Warm-Up für mich sehr kreativ gespielt. Diese zwei Jungs waren wirklich gut – mit viel Soul!!!
14. Warum gibt im Mainstream-Radiobreich so wenig Präsens von NuJazz, Broken Beats, Downbeat, Rare Groove oder gutem HipHop? Was denkst du?
(singt: “In the air tonight – Phil Collins…und lacht) Es ist wirklich ein Einheitsbrei. Unglücklicherweise werden meistens nur 80er und Chartsmusik gespielt. Meiner Meinung nach wäre es für die meisten Radiosender kein Problem auch mal ein bisschen Soul oder Jazz aufzulegen. Jill Scott oder Erykah Badu könnte ich mir da als Kompromiss schon vorstellen. Leider kann man ,,Soulpatrol Radioshow” nicht im (Auto)-Radio hören (Internet Radio Show). Hier zeigt Michael Rütten aus Frankfurt wie toll Radio sein kann.
15. Was denkst du über aktuellen HipHop? Hörst du dir das noch an?
Ich mag die “Soulful” Sachen immer noch sehr. Auch wenn ich immer mehr House-Bereich angesiedelt bin finde ich die Platten von Mos Def oder The Roots, Red Astaire oder TY immer noch Klasse. Allen voran aber immer noch die alten Sachen wie Jungle Brothers oder De La Soul. Die kann man immer spielen!
16. Bist du immer noch auf Plattenbörsen und Flohmärkten unterwegs um nach dem “Schwarzen Gold” zu diggen?
Leider habe ich aufgrund von Job und Familie nicht mehr soviel Zeit dafür. Ich bekomme auch sehr viel Promos, wo man immer wieder tolle Sachen entdecken kann. Meine Plattensammlung bringt auch immer wieder verborgene Schätze hervor.
17. Wie viele Platten muss man haben um zu sagen: ,,Jetzt ist es genug”?
Dein Geschmack muss entscheiden! Wenn es Scheiben gibt, die dein Horizont immer wieder erweitern – kannst du nicht aufhören.
18. Hörst du privat immer noch viel Musik?
Ich habe den Spaß daran nie verloren! Musik umgibt mich immer noch jeden Tag und Nacht.
19. Wie bereitest du dich auf einen Gig vor?
Unter der Woche checke ich den Promostuff. Ich sortiere die Besten in mein Case. Der Rest ist ein Freestyle-Ding. Ich werde nie ein Set komplet vorbereiten, weil das auflegen immer noch sehr aufregend für mich ist.
20. Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten?
Marcos Valles..vielleicht bald…Eigentlich mit sehr vielen Legenden und aktuellen Künstlern. Mein grosser Wunsch wäre mit Mad Mike of UR aus Detroit mal was zu machen.
21. Was kommt nach deiner DJ/Künstler-Karriere? Kannst du dir vorstellen mal für ein Label zu arbeiten?
Ich arbeite bereits als eine Art von A&R für Compost Records in München.
Vielleicht werde ich doch noch Winzer! (lacht)
22. What are the Top10. 12inches of the year 2006 ?
29. Man hat irgendwie das Gefühl, dass das “Freestyle”-Ding von DeepHouse / Detroit Techno auf der einen Seite und Rare Grooves (speziell Funk) etwas in den Hintergrund geraten ist. Jazzanova haben mit ihrer “Kaleidoskop”-Night zwischenzeitlich auch mal aufgehört. Die Compost-Fraktion macht auch seit drei Jahren keine Intosomthin’ Clubnight mehr. Deine Sets sind auch immer mehr von den minimalistische Sounds beeinflusst. Wie siehst du die Entwicklung der Szene?
Ich will meine Wurzeln nie leugnen, deshalb wird bei mir das Soul, Funk, Boogie-ding nach wie vor großgeschrieben. Dennoch finde ich zur Zeit viele elektronischere Platten sehr interessant und es macht mir Spaß solche Sachen zu spielen. Irgendwie ,,soulful” sind die Meisten ja auch noch. Mein Auflegstil hat sich in den 16 Jahren Plattenlegen etwas gewandelt, so waren Anfang der 90er 80% alte Schule und 20 % neue Sachen, wohingegen sich das jetzt genau andersrum verhält. Aber für die Oldschoolpuristen gibt’s dann ja noch Beats & Öxle, wo wirklich nur alte Jazz, Soul, Funk, latin-sachen laufen. Vielleicht hängt dieses Phänomen auch etwas damit zusammen, dass die Clubs, wo ich hingebucht werde auch über die Jahre größer geworden sind und die kleinen gemütlichen “Rare Groove – Katakomben” seltener werden.
30. Wer sind Rainer Trueby’s ” favourite DJs”?
Fast alle Rootdwon Gast-Djs, Theo Parish, Gilles Peterson, Mad Mats, ich mag die Sets von Seiji sehr und Peter Kruder ist immer noch ein ganz großer DJ.
31. Was sind deine Lieblings- Labels (die du immer blind kaufen kannst)?
-Farout Records, Compost, Papa Rec., Shelter, MAW
32. Wird es weitere Trüby Trio Releases in nächster Zukunft geben? An was arbeitest du zur Zeit?
An einer Boogiecompilation namens “Maiden Voyage” zusammen mit Roland Appel (Trüby Trio/Fauna Flash/Voom:Voom) und Into Somethin?- Mitbegründer Theo Thönnessen. Das ganze ist angelehnt an eine Clubnacht gleichen Namens, was so ca. 4 mal im Jahr im Münchner Atomiccafe stattfindet.
Darüber hinaus arbeite ich an der ,,Glücklich Japanese Edition” – zusammen mit Kyoto Jazz Massive, worauf dann japanische alte und neue Tracks zu finden sind, natürlich nach wie vor mit dem beliebten Brasilflavour. Das ,,Trüby Trio” will im Januar wieder ins Studio und an einer neuen Maxi arbeiten.
33. Wie siehst du die Entwicklung der letzten zwei Jahre bei Compost Records. Michael Reinboth setzt u.a. mit dem Sublabel Compost Black label vermehrt auf elektronische Musik.
Ja, definitiv, Compost wurde elektronischer in den letzten Jahren, aber es gibt immer noch Platz für soulige, jazzige Geschichten, wie z.B. Eddy Meets Yannnah oder auch das neue Koop- Album.Ich finde einige Black Label Platten sehr interessant und auch das neue Sublabel Drumpoet Community setzt frische Akzente..
34. Du hast inzwischen eine zweite Eventreihe in Freiburg. Erzähl bitte ein bisschen über “Beats & Öxle”!
Beats & Öxle ist für mich eher so ein zweites Wohnzimmer. Es ist immer ein regionaler oder überregionaler Winzer vor Ort, welcher seine Tropfen präsentiert und ich lege mit lokalen DJs ausschliesslich alte Platten auf von Jazz über Soul bis Latin und Disco. Das fängt immer recht gemütlich an. Es beginnt eher so ,,Listening-Platten” und so gegen später, wenn die “Öxle” Wirkung zeigen wird schon auch mal das ein oder andere Tanzbein geschwungen. Schön ist auch, dass das bunt gemischte Publikum aus Weintrinkern und Music-heads besteht. Das ist altersmäßig von ca. 20 bis 60. Man kommt sich da dann zumindest nicht als Ältester vor…
36. Welche Gäste darf man für 2007 in Root Down erwarten? Schon irgendwelche Pläne?
Domu wird das 11-jährige Root Down – Jubiläum im Januar mit mir bestreiten, auf jeden Fall wird auch Gilles Peterson, welcher letztes Jahr ja ausfiel, vorbeischauen, dann Danny Krivit, DJ Spinna, Patrick Forge und auch Dixon stehen auf dem Wunschzettel.
37. Kürzlich wurde bei Compost das neue Album von KOOP veröffentlicht. Für 2007 sind die Alben von 4 Hero und Jazzanova angekündigt. Glaubst du an ein Revival des Nujazz/Future Jazz? Oder sind die Zeiten (eigentlich) vorbei?
Bin ja kein grosser Fan des Begriffs ,,Nujazz”, denn unser Genre hat ja oft mehr mit Soul,Disco, House und Brokenbeat zu tun als mit klassischem Jazz, dennoch glaube ich, dass das Nujazz – Ding eigentlich nie gestorben ist, sondern seit 1990 unter verschiedenen Namen wie Acidjazz, Freestyle, Discojazz, Future jazz etc. existiert., deswegen gibt’s ja uns damalige ,,Acidjazzer” immer noch hinter den Plattenspielern..
35. Es kann nur einen geben: VFB oder SC Freiburg?
Natürlich den VFB. Auch wenn ich ein Schwabe in Baden bin.
Dank für deine Zeit und das ausführliche Interview.
Interview: Peter Parker
Aktuelle Releases von Rainer Trüby:
Trüby & Bocci are TRUCCY - Kenyatta EP (Digital & Vinyl)
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