Stones Throw New Jazz Experience: The Stepkids  

 

Mit ihrem zweiten Album “Troubadour“ tourten The Stepkids einen Herbst lang durch ganz Europa. Das auf Stones Throw Records veröffentlichte Album ist eine psychedelische Mischung aus Soul, Funk, Jazz und Pop, voller Ohrwürmer und Rafinesse. Unsere freien Autoren Ismail Özgentürk und Philip Frowein trafen The Stepkids direkt nach ihrer Show im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld zu einem sehr gelösten Gespräch. 

 

Zunächst einmal: Vielen Dank für das großartige Konzert. Ich war etwas überrascht, dass ihr diesmal keine Visuals auf der Bühne hattet, ist das auf eurer gesamten neuen Tour so? 

Jeff: Ja, das haben wir für‘s Erste weg gelassen, weil wir in eine andere Richtung gehen wollen. Wir wollen Menschen mitreißen. Und das tun wir auf verschiedene Weisen. Wir stimulieren sie auf verschiedene Arten, diesmal ist es eine andere Form der Stimulation.

Ihr habt also an einer anderen Art von Bühnenshow gearbeitet?

Jeff: Sag du‘s mir, was hast du gesehen?

Jede Menge Bewegung, Choreografie, verstärkt durch bunte Lichter und Outfits. Außerdem habt ihr natürlich die meiste Zeit dreistimmig gesungen während ihr eure Instrumente bedient, es ist also eine ganz schöne Aufgabe, die ihr auf der Bühne bewältigt. Ihr habt es außerdem geschafft, Backing Tracks mit jeder Menge Raum für Improvisation zu kombinieren, mich würde interessieren ob es schwierig war, das miteinander zu vereinbaren?

Dan: Ja, daran haben wir gearbeitet. Wir haben zunächst einige Tracks vom iPod abgespielt um dazu zu spielen, aber als es ins Detail ging, brauchten wir eine Lösung das ganze zu verbessern und interaktiv mit dem Track umzugehen.

Jeff: Je nachdem, wie stark wir unter irgendwelchen Einflüssen stehen, kommen uns die Tracks entweder zu schnell oder zu langsam vor. Wenn wir viel trinken, scheinen sie wirklich langsam. Wenn wir rauchen, scheinen sie auch wirklich langsam.

Interessant…

Dan: Einmal, auf einer ziemlich großen Show vor mehreren tausend Leuten, fühlte sich wirklich jeder Song zu langsam an.

Wo war das?

Tim: Das war beim Bonnaroo-Festival. Ich spielte die Songs und hatte den Klick im Ohr und dachte nur: „Warum ist alles langsamer abgespielt? Das ist gar nicht gut.“

Jeff and Dan: (simulieren lautmalerisch extrem verlangsamte Musik)

Ihr habt es trotzdem geschafft, sicher hier herunter zu fahren, jedoch mit reichlich Verspätung…

Tim: Dan ist ein amtlicher deutscher Fahrer geworden. Er ist über die Autobahn geglitten als wäre er Pegasus persönlich.

Ist er euer auserkorener Fahrer?

Jeff: Dan und ich übernehmen das Fahren.

Tim: Ich fahre keine manuelle Schaltung. Ganz stereotyp. Keine harte Arbeit.

Dies war also eure letze Show in Deutschland, jetzt geht es nach…

Dan: Bristol, London, Brüssel, Amsterdam, Rotterdam.

Jeff: Wir sind wie Sun-Ra, Mann. Kein Sex. Wir sind Straight Edge. Keine Drogen. Wir sind diszipliniert, wir sind wie Martial Artists. Es ist Training, Übung und Ausführung. Touren ist…es ist ein Lebensstil.

Tim: Wir sind definitiv diszipliniert. Dan lässt uns Liegestütze machen wenn wir bestimmte Parts versauen.

Ihr seid alle erfahrene Musiker. Ihr habt Troubadour geschrieben und aufgenommen während ihr mit dem ersten Album auf Tour wart. Was war so besonders, mit dieser Truppe unterwegs zu sein? Ist es anders?

Jeff: Diese Tour ist wesentlich geruchsintensiver als normalerweise. Wir brauchten Troubadour als Album um richtig nach vorne zu gehen, unsere Energien vor die Leute zu bringen. Wir spüren dass die Musik eine größere Reichweite haben könnte, also haben wir unsere Show dementsprechend entworfen. Durch unsere Energie bei der Show riecht es wesentlich mehr, weil wir ganz gut schwitzen. Aber das ist es wert.

War das auch ein Grund, auf Visuals zu verzichten?

Dan: Nun ja, wir haben Visuals, wir werden immer welche haben. Es gibt immer etwas, das man sieht. Aber wir haben es so weit verändert, dass wir denken, dass die Show mehr Leute erreicht. Weißt du, irgendwie dachten wir, dass wir mit der Lichtshow in einer Sackgasse gelandet waren.

Ist es in irgendeiner Weise beleidigend wenn ich sage, dass eure Musik manchmal verdammt witzig ist?

Jeff: Wir sind eigentlich sehr ernste Menschen, ich habe keine Ahnung, warum du so etwas sagen würdest.

Dan: Was, du sagst, dass wir Humor haben? Das ist sehr beleidigend.

Tim: Das hören wir zum ersten Mal.

Jeff: Oh Gott.

Dan: Jetzt, wo wir davon wissen, müssen wir das ganze Projekt wohl aufgeben, da wir eigentlich dachten, dass wir auf einer ganz anderen Schiene sind und so etwas wie humanitäre Arbeit leisten.

Tim: Es stimmt, wir albern gerne herum. Einige unserer Lieblingsmusik ist auch witzig. Wir bewundern sowohl Künstler, die eine sehr ernsthafte Identität pflegen als auch solche, die das ganze gern auf die Schippe nehmen. Das an sich ist ja auch eine Identität.

Jeff: Hast du gehört, wie Tim diese Zeile singt, „Now I know why they call it a fatty?“

Kannst du sie nochmal wiederholen?

Tim (singt): Now I know why they call it a fatty.

Jeff: Er meint einen weiblichen Hintern. Ist das nicht die leidenschaftlichste Art, über einen Frauenarsch zu singen?

Dan: Wir covern Justin Timberlake‘s “Suit & Tie“. Die Zeile ist wirklich zum Brüllen, weil sie auch so hervorgehoben ist, und das wir den Song überhaupt covern… Aber die Zeile ist tatsächlich der Anker des Liedes.

Einige Stilistiken in eurer Musik erinnern mich an Musicals oder Shows wie „Flight of the Conchords“. Ich frage mich, ob ihr diese Verbindung auch seht.

Tim: Ja, klar.

Dan: Das ist bisher noch nicht so das Thema gewesen, aber witzig, dass du es sagst. Einige Leute die ich kennen stehen auf sowas und als wir vor ihnen gespielt haben, haben sie das erwähnt. Wir versuchen eine Bewegung ins Leben zu rufen. Wie ein Musical. Musicals gehören teilweise zum besten Story-telling überhaupt. Guter Vergleich.

Jeff: Also, wir sind alle Jazzmusiker, sind also aufgewachsen mit diesen Songs die irgendwann einmal Popmusik in verschiedenen Musicals waren und das haben wir irgendwie unterbewusst aufgesogen. Die ganze Idee, dass Leben außerhalb eines 3-Minuten-Songs existiert – und all diese Songs sind 3 Minuten lang – es ist ein schöner Gedanke, dass etwas eine ganze Bewegung ist anstatt nur ein Song im Moment. Darum geht es doch. Ich denke wir sind etwas weniger flamboyant als einige Musicals da draußen, aber flamboyant sein ist nicht falsch. Siehst du, das hier ist, womit ich arbeite: (zeigt Brustbehaarung). Vielleicht kannst du das ja für ganzen Fans beschreiben.

Tim: Es geht um den Fuzz und den Funk.

Dan: Wir sind eine Funkband

Ihr würdet sagen, dass ihr eine Funkband seid?

Dan: Als die Leute anfingen, das Wort „Jazz“ zu benutzen, mochten diejenigen, die tatsächlich Jazz spielten auch nicht, dass es so genannt wird.

Jeff: „Jazz“ kommt von dem Wort „Ass“(engl. Wort).

Ich habe euer Get Lucky Cover gesehen, Musikalisch ist das ziemlich genial und es hat mich daran erinnert, dass dieses etwas zu oft gespielte Stück tatsächlich ein großartiger Song ist. Werden wir mehr solcher Dinge zu sehen bekommen?

Tim: Vielleicht. Wenn dieser eine bestimmte Freund von uns uns genügend überzeugt.

Wer hat noch auf eurem zweitem Album mitgespielt, wer hat die zusatzlichen Instrumente eingespielt?

Tim: Wir hatten eine Menge Leute die eigentlich enge Freunde von uns aus der Connecticut/New York Gegend sind. Es ist wie Motown, aber mehr Abercrombie & Fitch.

Dan: Mein Bruder hat Sax auf einem Track gespielt. Wir mögen Kollaboration, die Fühler ausstrecken. Ausstrecken und etwas berühren. Darum geht es. Unsere Vision dessen was wir tun gehört nicht nur uns, sondern der Welt, und das meine ich so hippiemäßig, wie es klingt.

Jeff: Habt ihr Hippies in Deutschland?

Ja, wir haben viele Hippies. Was hört ihr derzeit an Musik?

Dan: Wir fahren so viel während dieser Tour, dass unser Musikkonsum wirklich am Limit ist.

Jeff: Lass uns nur mal heute anschauen: Ol‘ Dirty Bastard‘s erstes Album „Return to the 36 Chambers“, Michael Jackson‘s „Dangerous“, Mills Brothers‘ „Greatest Hits“. Heute haben wir angefangen mit praktisch der ganzen Diskographie von Duran Duran.

Euren Ansatz könnte man als eher retro bezeichen, manchmal losgelöst von Trends. Welche Rolle spielt aktuelle elektronische Musik für euch, insbesondere wenn man beachtet, dass House und Techno inzwischen praktisch jeden anderen Stil beeinflusst haben?

Dan: Wir sind schon lange besessen von Kraftwerk und sind von da aus los in Richtung Chicago und Detroit und dann 80‘s und 90‘s.

Jeff: Zeug wie Pantha du Prince. Einer der besten, Mann. Wie wir unser letztes Album abgemischt haben war stark davon beeinflusst. Und du kannst eine Menge Kraftwerk in „Desert in the Dark“ hören. Dan: Unsere Musik ist ein wechselhaftes Ding, eine Welle, sie wird immer ein anderes Format annehmen wohin auch immer sie geht, wohin unsere Köpfe gehen. Wir wollen, dass sie noch eine größere Menge an Leuten erreicht. Wir wollen sehen was geht und in unseren neuen Sachen kannst du definitiv mehr Elektronisches hören, davon sind wir also auch ein Teil.

Vielen Dank für das Interview!

Interview: Ismail Özgentürk
Foto: Philip Frowein